Unser Erdmannsdorfer Schloß, übrigens das größte der drei hohenzollerschen Königsschlösser des Hirschberger Tales, neben Fischbach und Schildau, wurde erstmals 1740 erwähnt. Der Bauherr war der damalige Grundherr unserer Gemeinde, Maximilian von Reibnitz, der von 1716 bis 1761 hier lebte. Er ließ es im Barockstil erbauen. Es war damals nicht als ein Schloß im heutigen Sinne, wie es sich jetzt darstellt, sondern nur als ein großer und repräsentativer Herrensitz konzipiert. Nach kinderloser Ehe und seinem frühen Tode erbte es sein Neffe, Karl Wilhelm von Kottwitz. Doch dieser konnte sich nicht lange seiner Besitzung erfreuen, denn er starb als 11jähriger noch im selben Jahr 1861 an den Blattern.
Seine Mutter veräußerte das Erbe ihres Sohnes sogleich an Gottlob Friedrich Freiherrn von Richthoff.
1809 kam Schloß und Gutsländereien an den Grafen Friedrich Wilhelm Emil von Kalkreuth, und 1816 schließlich erwarb die Perle im Riesengebirge für den Abend seines Lebens. gegen Tausch seines Kauffunger Besitzes, der unvergessene Generalfeldmarschall der Befreiungskriege gegen das napoleonische Joch und Gönner und Wohltäter unserer Gemeinde August Wilhelm Anton Neithardt Graf von Gneisenau. Er liebte diesen Grundbesitz seiner ihm angetrauten Ehefrau und ihrer Vorfahren, sie war eine Caroline Baronin von Kottwitz, eine Großnichte des Erbauers und er begab sich mit großem Eifer daran, es zu einem Kleinod auszuschmücken.
Von dem Architekten Raabe ließ er den Barockbau im schlesischen Landhausstil der Biedermeier umgestalten. Der hufeisenförmige, nach der Gebirgsseite offene Grundriß wurde zwar beibehalten, schloß diesen aber durch den Einbau eines Wintergartens mit 5 Bogentüren in der 2. Etage ab. Auf die gesamte 2. Etage ließ er einen Kniestock setzen und deckte den Bau mit einem Satteldach ab. Die dicht am Schloß befindlichen, inzwischen maroden Wirtschaftsgebäude des Gutes ließ er abreißen und etwas weiter östlich in einigem Abstand vom Schloß neu errichten und erhielt somit eine Sichtachse zum höchsten Teil des Gebirges mit der Schneekoppe. In seinen Besitzjahren von 1816 bis 1832 bekam der große Heeres- und Kriegsstratege schon des öfteren Besuch von seinem höchsten Kriegsherren und Landesvater, König Friedrich Wilhelm III., auch zum Teil mit großem Gefolge der Höfe Berlin und Petersburg. Als Gneisenau im Sommer 1831 an die Spitze des Truppenkommandos nach Posen gerufen wurde. Ursache war der Ausbruch der polnischen Revolution, erkrankte er dort an der russischen Cholera und starb am 24. August 1831 als 70jähriger. Begraben wurde er zunächst in Posen, wurde aber 1841 nach Sommerschenburg bei Helmstedt überführt, wo er eine königliche Dotation besaß und am 18.Juni, dem 26. Jahrestag des Kampfes mit den Franzosen in Belle-Alliance, wo er als großer Stratege seine preußischen Truppen zum Siege führte, in einem Mausoleum feierlich beigesetzt. Gleichzeitig wurde auch ein großes Denkmal, das die Armee über seiner Grabstelle errichtet hatte, im Beisein König Friedrich Wilhelm IV. und seiner Brüder enthüllt.
Seine Familie verkaufte am 21. August 1832 den Erdmannsdorfer Besitz für 156.000 Reichstaler an König Friedrich Wilhelm III.. Von 1832 bis 1837 wurden im Inneren des Schlosses Veränderungen vorgenommen und ein äußerer Anbau ausgeführt. Architekt dieser Baumaßnahme war der königliche Hofbaumeister Karl Friedrich Schinkel, der auch die Potsdamer Schlösser im Park von Sanssouci entwarf In diesen Jahren erfreute sich Erdmannsdorf schon der Besuche vieler hochgestellter und verwandter Persönlichkeiten des königlichen Hofes, wie zum Beispiel: die älteste Tochter des Königs Charlotte-Kaiserin von Rußland mit ihrem Gemahl Zar Nicolaus I. und Familie, des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. mit seiner Frau Elisabeth - Tochter des Königs Maximilian I. von Bayern, des Prinzen Wilhelm I., dem späteren Kaiser und seiner Gemahlin Auguste Tochter des Großherzogs Karl Friedrich von Sachsen-Weimar, der Prinz Friedrich der Niederlande - Vetter „Oranien“ genannt, mit seiner Frau Luise - der jüngsten Tochter des Königs mit Familie, der Erbherzog Johann von Österreich, und vieler anderer Persönlichkeiten des europäischen Hochadels. Sie alle pflegten im Schloß und der nahen reizenden Umgebung des Gebirges und auch daselbst bei Ausflügen in die Berge den familiären Zusammenhalt und zugleich Erholung und Entspannung von ihrer schweren Last der Verantwortung für Volk und Reich.
1840 fiel nach dem Tode König FR. W. III. zunächst der Besitz an seine Witwe, seiner 2. Frau, der geborenen Gräfin Auguste von Harrach und späteren Fürstin von Liegnitz, die ihm wegen nicht standesgemäßer Heirat zur Linken angetraut war. Diese gab das Erbe aber sogleich an ihren Stiefsohn. König Friedrich Wilhelm IV. weiter. Der ließ ihr als Dank 1842 nahe des Schlosses im Park einen Witwensitz errichten, die nach ihrem Namen benannte „Villa Liegnitz“, ein großes Haus im schweizer Bergstil, welches sie so liebte und in dem sie so oft sie es ermöglichen konnte, im Jahre mehrere Wochen bewohnte.
In den Jahren von 1842 bis 1844 wurde das Schloß nach den Entwürfen des Schinkelschülers Oberbaurat Friedrich August Stüler vollständiig umgebaut und erhielt das Aussehen, wie es sich auch noch heute im Großen und Ganzen darstellt, im Stil eines englisch, gotischen Landschlosses.
An Eingang des Schloßgartens hielten zwei aus Kupferblech getriebene Ritter mit Lanzen Wache für die hohen Herrschaften und Anwesenden. Sie wurden aber nach 1945 entwendet und keiner unser späteren Bewohner kann oder will sich heute erinnern, wo sie geblieben sind.
Im Schloßinneren befanden sich zu damaliger Zeit wertvolle Glasmalereien, vornehmlich schlesische Wappen, sowie ein großes Gemälde, welches die Gründung des Klosters Trebnitz durch Heinrich I. und seiner Gemahlin Hedwig, der Schutzpatronin Schlesiens, darstellt. Ansonsten war die Einrichtung und Möblierung schlicht gehalten nach der Art des Flatower Schlosses bei Potsdam.
Die weiträumigen Parkanlagen gestaltete der königliche Hofgärtner Joseph Peter Lenné, der Schöpfer der Parkanlagen von Potsdam, im englisch-romantischen Stil. Besondere Anziehungspunkte darin waren der künstlich angelegte Teich mit der Insel und dem darauf befindlichen Teehäuschen, und die Kahnanlegestelle mit dem über 5 Meter hohen Walfischkiefer. Heute ist der Park weitgehend sich selbst überlassen und schon sehr verwildert.
Unser Schloß wurde dank seiner herrlichen Lage in bezaubernder Umgebung und der wunderbaren Aussicht auf das Gebirgspanorama des Riesengebirges zum Sommersitz und Lieblingsschloß der Königsfamilie und ihrer weitverzweigten Verwandtschaft, die sich fast jährlich hier ein Stelldichein gaben. Bis 1871 erfreute sich das Schloß und unser Tal in unregelmäßigen Abständen den Besuchen des Herrscherpaares Preußens und seiner weitverzweigten europäischen Verwandtschaft, aber nicht nur dieser, sondern in derem Gefolge und Begleitung auch berühmte Persönlichkeiten wie der Herzog von Braunschweig-Öls, der Prinz und die Prinzessin Johann von Sachsen, die Minister Graf Stollberg-Wernigerode und von Bodelschwingh und der berühmte Gelehrte Alexander von Humboldt.
1861 kam Schloß und Gut, da die Ehe dieses Herrschers kinderlos blieb und er selbst schwer kränkelte und seine Regentschaft abgab, an seinen jüngeren Bruder Wilhelm, der als König Wilhelm I. die Nachfolge antrat und nach dem gewonnenen Waffengang gegen Frankreich 1870/71 im Schloß von Versailles am 18Januar 1871 vom Reichskanzler Bismarck zum deutschen Kaiser Wilhelm I. proklamiert und gekrönt wurde.
Bis 1909 blieb Schloß und Gutsländereien königlich-kaiserliche Dotation, bzw. Schatullegut. Dann wurde alles an Privat verkauft. Der erste Käufer war Amtsrat Richter aus Hirschberg. Dieser veräußerte den Besitz bereits nach 10 Jahren 1919 wegen radikal sozialistischer Umtriebe vieler Gemeindeglieder und Bedrohung durch diese für sein Leben. Der neue Käufer hieß Gutsbesitzer Guido Feustel, der das Rittergut nur 2 Jahre in seinem Eigentum führte und in seinen Besitzjahren bereits größere Flächen der Ländereien an eine Siedlergesellschft und an die Erdmannsdorfer AG Spinnerei und Weberei unter seinem Direktor Dressel verkaufen mußte. 1921 erwarb Fabrikbesitzer Karl Rudoph, ein Sachse, das Schloß und die verbliebenen Ländereien. Doch immer wieder mußte er Flächen von seinem Gute abgeben, da die Einwohnerzahl Erdmannsdorfs sich rapide vergrößerte und nach der Inflation die Bautätigkeit für Eigenheime rasch zunahm. Nach Erreichen der Altersgrenze übernahm sein Sohn Kurt das Restgut, welches 1945 nur noch 199 Hektar (796 preußische Morgen von ehemals 3000) groß war. Kurt Rudolph bewirtschaftete es mit einem Agrarinspektor, der die die technische Weiterentwicklung in der Landwirtschaft konsequent nutzte. Die große Herdbuchkuhherde betreuten ein Melkermeister mit mehreren Gehilfen. Eine Anzahl Zugtiere mit Gespannführern und Arbeitern erledigten die anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten in Hof, Feld und Wald. Im Schloß selbst wohnten die Familie Rudolph, aber einzelne Räume waren auch privat vermietet.
Nach unserer Vertreibung erlitt das schöne Bauwerk schwerwiegende Verwüstungen und bis 1950 war es Plünderungen ausgesetzt, litt unter starken Verfallserscheinungen und man befürchtete, daß eines Tages alles zur Ruine verfallen würde. Erst 1953 wurde nach grundlegender Renovierung und Umbau der Innenräume eine Schule darin eröffnet, die bis heute besteht und der ehemalige Salonsaal wird als Sporthalle für die Schüler der jetzigen Realschule von Mvslakowice und umgebender Orte genutzt. Im Foyer befinden sich eine Ausstellung der Schlösser des Hirschberger Kreises und Fundstücke aller Art der Umgebung. Der Turm ist nach Absprache mit dem Herrn Administrator begehbar und bietet eine gute Rundumsicht auf das Dorf, die umliegende reizvolle Landschaft und auf das nahe Gebirge.
Nach jüngsten Äußerungen des langjährigen Bürgermeisters von Myslakowice, Herrn Pietrowski, würde die Gemeinde das Schloß an einen ausländischen oder auch landeseigenen Investor für 1 Euro gern verschenken mit der Prämisse, daß dieser bereit wäre, für die Gemeinde eine, allen Anforderungen eines modernen Schulsystems gerecht werdende, neue Schule zu errichten. Ein Wunschtraum der kommunalen Verwaltung.
Aber wer weiß es schon, vielleicht findet sich alsbald in der erweiterten EU ein Millionär, der gefallen an unserem historischen Schloß findet und sein Kapital hier anlegt, zu seiner Freude und auch derer, die dieses Bauwerk schätzen und erhalten sehen möchten. Wir ehemaligen Zillerthaler und Erdmannsdorfer würden dieses sehr begrüßen.
Salzgitter-Lesse, den 1. Juni 2005, weiter ergänzt von der Niederschrift vom 14. Dezember 1998
Georg Schnabel
geboren in Erdmannsdorf
Alter Dorfweg 16