Auf dem Heimattreffen der Jannowitzer und Kupferberger waren "Fremde" nicht gern gesehen

Dieser Leserbrief von Herrn Dr. Sander-Beuermann erschien in der Juli-Ausgabe der "Schlesischen Bergwacht"

Ungewöhnlicher Vorfall beim 30-ten Jannowitzer- und Kupferberger Heimattreffen

Am 6. Juni diesen Jahres fand in der Gaststätte "Grüner Jäger" in Orxhausen zum 30-ten Mal das Jannowitzer- und Kupferberger Heimattreffen statt. Meine Frau und ich hatten uns schon länger darauf gefreut, wieder mit den Jannowitzer Einwohnern, zu denen meine Schwiegermutter gehörte, in Kontakt zu kommen, miteinander zu reden, und die Erinnerung an Schlesien lebendig zu erhalten.

Wir waren bereits vor zwei Jahren bei diesem Heitmatreffen und fanden die Gespräche und Kontakte hochinteressant. Auch damals hatten wir holländische Bekannte aus Jannowitz mitgebracht, weil diese sich sehr für die deutsche Vergangenheit und deren Tradierung interessieren und einsetzen. Einer der Holländer arbeitet beim holländischen Fernsehen; er machte vor zwei Jahren auch Aufnahmen und Interviews mit ehemaligen Einwohnern von Jannowitz, um dieses Andenken zu bewahren.

Auch dieses Jahr kamen wieder 3 Holländer dazu, darunter auch der für das Fernsehen arbeitende. Sie setzten sich zu uns an den Tisch, und es ergaben sich sofort nette und interessante Gespräche mit Jannowitzern. Als jedoch die Fernsehkamera ausgepackt wurde, erschien überraschend die Veranstalterin und fuhr den Holländer in scharfem Ton an, dass sie es ausdrücklich verbiete, dass beim Treffen gefilmt würde. Im anderen Falle würde sie sofort die Polizei rufen.

Nachdem wir diesen Schock gemeinsam mit den Holländern verdaut hatten, setzten sich die freundlichen Gespräche mit den Jannowitzern fort. Nach einer Weile herrschte trotz allem wieder eine gute Atmosphäre. Uns fiel lediglich auf, dass die Holländer und wir von der Veranstalterin und einigen wenigen sie umgebenden weiter misstrauisch beäugt wurden.

Etwa zwei Stunden später erschien der Wirt der Gaststätte "Grüner Jäger", und forderte in rüdem Ton und ohne Nennung von Gründen die drei Holländer auf, sofort die Gaststätte zu verlassen. Die Frage nach Gründen blieb vage beantwortet "es hätten sich Gäste beschwert" – auf die Frage nach dem "worüber" kamen nur wieder Drohungen.

Wir haben auch versucht, mit der Veranstalterin zu sprechen, aber sie wich uns aus. Wie sind dann alle gegangen und einer der Holländer sagte treffend: "Jetzt werden wir von Vertriebenen vertrieben." Wie wir aus Gesprächen mit Teilnehmern des Heimattreffens erfuhren, sind viele – genauso wie wir – entsetzt über diesen Vorfall.

Die Veranstalterin hat der Sache Schlesiens und der deutschen Vergangenheit mit diesem "Heimattreffen" geschadet. Aber auch das Jannowitzer- und Kupferberger Heimattreffen sollte das werden, was der Name sagt: ein Treffen aller Menschen, die sich dieser Heimat verbunden fühlen. Darum habe ich diesen Vorfall beschrieben.

Dr. Wolfgang Sander-Beuermann


Als ich von Herrn Dr. Sander-Beuermann über diesen Vorfall informiert wurde, schickte ich an Wim Bosman und Coleta Dubbers, mit denen ich per E-Mail in Kontakt stand und persönlich noch nicht kannte, folgende e-Mail: 08.06. 2009 Uhrzeit: 21:43

Betreff: empörendes Verhalten der Frau Liebig

Sehr geehrter Herr Bosman,

Durch Herrn Dr. Sander-Beuermann erfuhr ich, dass Frau Ursula Liebig, die Heimatbetreuerin der Jannowitzer, Ihnen und Ihren Begleitern auf dem Jannowitz-Treffen durch den Gastwirt mitgeteilt hat, dass Sie nicht erwünscht seien. Außerdem habe sie persönlich, beim Versuch, in guter Absicht die anwesenden Heimatfreunde zu filmen, sogar mit der Polizei gedroht. Das ist mehr als peinlich, und auch ich bin über das Verhalten dieser Frau erschüttert und sehr traurig. Frau Liebig kann nicht mehr ernst genommen werden. Beziehen Sie bitte das unmögliche Verhalten dieser Frau nicht auf alle Deutschen, die einmal in den Gebieten, die heute zu Polen gehören, gelebt haben. Herr Dr. Sander-Beuermann wird in einem Bericht die Zeitung "Schlesische Bergwacht" darüber informieren und auch die Zeitschrift "Schlesien heute" wird von mir und anderen Schlesiern darüber unterrichtet.

Ich bin auch Mitglied eines deutsch-polnischen Kulturvereins, des Vereins zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur, kurz VSK, mit Sitz in dem Ihnen sicher bekannten Schloss Lomnitz ganz in Ihrer Nähe. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, das gemeinsame kulturelle Erbe in Schlesien als europäisches Kulturerbe zu erhalten, zu pflegen und zu bewahren. Das bedeutet auch, dass wir uns um eine Verständigung und Aussöhnung , insbesondere mit Polen, aber auch mit den anderen europäischen Staaten bemühen und unsere ganze Kraft dafür einsetzen. Solche Menschen, wie die 82-jährige Frau Liebig und deren wenige ewig-gestrige Gesinnungsgenossen, behindern leider unserer Versöhnungsarbeit. Dennoch lassen wir uns in unserem Bemühen nicht aufhalten.

Ich habe heute den Vorsitzenden des VSK, Herrn Karsten Riemann, über den Vorgang unterrichtet. Er ist ebenfalls sehr empört darüber und lässt Ihnen herzliche Grüße der Verbundenheit ausrichten und lädt Sie schon heute zur VSK-Jahrestagung ein, die vom 1. bis 4. Oktober 2009 im Kulturzentrum Schloss Lomnitz stattfindet. Das Programm schicke ich Ihnen noch zu. www.vskschlesien.de

Ich betone nochmals, daß es mir außerordentlich leid tut, was Ihnen dort widerfahren ist. Im Juli, das genaue Datum steht noch nicht fest, bin ich u. a. in Jannowitz und werde Sie einmal auf Ihrem Campingplatz besuchen. Dann kann ich Ihnen sicherlich mitteilen, was in dieser unerhörten Angelegenheit inzwischen geschehen ist.

Herzliche Grüße
Ihr Heinz Kornemann

Im Juli lernte ich auf meiner Schlesienreise Wim Bosman und Coleta Dubbers, die in Jannowitz den Campingplatz www.boduwico.dip.pl betreiben, auch einmal persönlich kennen.


Eine Reise in Vergangenheit und Gegenwart – Eindrücke vom heutigen Jannowitz, Kupferberg und Bad Kudowa

Am 10. Juli 1999 wurde um 17:10 Uhr der Schornstein der Jannowitzer Papierfabrik gesprengt. In der Schlesischen Bergwacht Nr. 49/10, Seite 457, ist ein Bild von der Sprengung des Schornsteins mit einem kurzen Bericht zu sehen. Das Bild und den Bericht haben damals Wim Bosman und seine Frau Coleta an die Bergwacht geschickt. Die beiden betreiben seit 12 Jahren einen Campingplatz in Jannowitz auf dem ehemaligen Anwesen von August Bettermann.
Gerade auch an diesem 10. Juli 1999 wurde auf dem ehemaligen Friedhof von Kupferberg im Beisein amtlicher und kirchlicher Würdenträger ein Gedenkstein eingeweiht. Auf dem Gedenkstein steht in Deutsch und Polnisch: „Ruht in Frieden, ihr seid unvergessen“. Während der feierlichen Einweihung war die Detonation der Sprengung zu hören.
Am 10. Juli 2009, genau 10 Jahre später, machte ich mit meiner Frau, meinem Heimatfreund Heinz Friebe und seiner Frau (die beiden waren bei der Einweihung des Gedenksteins in Kupferberg auch dabeigewesen) und dem Wanderführer des VSK, Wolfgang Schubert, in meinem Wagen eine Fahrt nach Bad Kudowa im ehemaligen Landkreis Glatz. Mit seinen fünf an Kohlesäure reichen Arsen-Eisen-Quellen entwickelte sich der bekannte Badeort am Fuße des Heuscheuer-Gebirges ab 1870 unter dem Badearzt Johannes Jacob zum ersten deutschen Herzbad.
Wir wollten einmal auf den Spuren der Kindheit des Schriftstellers Jan Koplowitz wandern, der in Bad Kudowa am 1. Dez. 1909 geboren wurde und in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Mit großem Interesse hatten wir seinen beeindruckenden, autobiografischen Roman "Bohemia - mein Schicksal" gelesen, ein Buch, das 1979 erschienen war und über 720 Seiten stark ist. Auch in einem dreiteiligen Fernsehfilm wurde der Roman in der ehemaligen DDR verfilmt. In diesem Roman schildert der im Jahr 2001 im Alter von fast 92 Jahren in Berlin verstorbene Jan Koplowitz sein Leben und die Geschichte seiner jüdischen Familie, der das Hotel Bohemia (Fürstenhof) in Bad Kudowa gehörte.
Die wohlhabenden Juden aus der ganzen Welt reisten zur Kur nach Bad Kudowa. Es ist ein kleines Paradies mit einem milden Klima. Im Sommer stehen im Kurpark, der Mitte des 18. Jahrhunderts im englischen Stil errichtet wurde, Palmen und Kakteen. Majestätisch erhebt sich in diesem „Garten Eden“ das Hotel Bohemia, das jetzt als Kurklinik genutzt wird. Dieses Prachtstück erstrahlt nach der im letzten Jahr erfolgten Renovierung wieder im alten Glanz. Bis 1933 wohnten überwiegend jüdische Gäste der oberen Klasse in diesem repräsentativen und prachtvollen Hotelbau mit vielen Balkonen und Terrassen, mit eleganten Gesellschaftsräumen, großen Kursälen und einem Kurtheater. Hier „war die Welt zu Hause“. Bankiers aus Berlin, Diamantenhändler aus Amsterdam und Südafrika, Pelzhändler aus Rußland, Unternehmer aus New York, Rio de Janeiro und anderen Metropolen der Geschäftswelt, sie alle trafen sich in Bad Kudowa.
Diesen großbürgerlichen Lebensstil schildert Jan Koplowitz sehr ausführlich in seinem Roman bis hin zum Ende dieser Epoche, als die Nazis in Deutschland die Macht übernahmen und der aufgehetzte Pöbel die ersten Steine in die Fensterscheiben des Hotels warf.
Die Familie Koplowitz emigrierte vor dem Terror der Nazis ins Ausland. Jan Koplowitz floh über die Tschechoslowakei und Polen nach Schweden und von dort nach England. Nur seine Mutter blieb in Deutschland, sie wollte den Familienbesitz in Bad Kudowa und in Berlin nicht verlassen. Sie glaubte, diese staatlich angeordneten Schikanen seien nur ein kurzer vorübergehender Spuk. Leider war es nicht so. Die Mutter von Jan Koplowitz wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Als dieser vorübergehende braune Spuk nach 12 Jahren mit all seinen Grausamkeiten vorbei war, lag die Welt in Trümmern und 15 Millionen Deutsche wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Sie mussten die größenwahnsinnige Politik der Nazis mit der Vertreibung aus ihrer Heimat bezahlen. Auf Unrecht folgte Unrecht. Vergessen sollten wir u.a. auch nicht, dass zwischen 1940 und 1944 in Westpreußen, dem "Warthegau" und Oberschlesien 800.000 Polen von uns Deutschen aus ihren Wohnorten vertrieben wurden, um Platz für deutsche Siedler zu schaffen.
Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als wir Fünf, von Bad Kudowa kommend, durch Rohrlach, das heute Trzcińsko heißt, fuhren. Hier im schönen Hirschberger Tal hatte die Familie meiner Mutter viele Generationen lang bis 1946 gelebt. Dann wurde sie vertrieben.
Im wenige Kilometer von Rohrlach entfernten Zillerthal-Erdmannsorf lebten in Tirolerhäusern Schlesier, deren Vorfahren 1837 wegen ihres protestantischen Glaubens aus dem Zillertal vertrieben wurden und im Riesengebirge eine neue Heimat fanden. Sie alle gehörten zu den 15 Millionen Deutschen, die nach 1945 aus ihrer Heimat vertrieben wurden, und auch heute noch werden auf der ganzen Welt Menschen vertrieben.
Gegenwärtig sind wir in Europa, dank einer Politik der Aussöhnung, wieder soweit, dass jeder der will, sich auch in Schlesien ein Haus kaufen und dort wohnen kann. Wir fuhren in Rohrlach vorbei am Haus meiner Urgroßeltern nach Jannowitz, dieser Ort heißt heute Janowice Wielkie. Dort wollten wir uns mit zwei Holländern treffen, die diesen Schritt in eine neue Heimat gemacht hatten und in Jannowitz einen Campingplatz betreiben.
Die beiden Holländer, Wim Bosman und Coleta Dubbers, die, wie schon anfangs erwähnt, auch schon für die Bergwacht geschrieben haben, wollten gern auch einmal die früheren Bewohner aus deutscher Zeit von Jannowitz und Kupferberg näher kennenlernen und evtl. neue Freundschaften schließen. So hatten sie sich im Juni in aufgeräumter Stimmung von Schlesien aus auf den Weg zum Heimattreffen der Jannowitzer und Kupferberger nach Orxhausen gemacht. Dort mussten sie die traurige Erfahrung machen, dass sie als „Fremde“ auf diesem Heimattreffen unerwünscht waren. „Geschlossene Gesellschaft“ hieß es.
Wim Bosman und seine Frau Coleta sowie auch andere Leser der Bergwacht hat es sehr betroffen gemacht, als in der Juli-Ausgabe 2009 der Bergwacht im Bericht der Heimatbetreuerin von Jannowitz nachzulesen war: „Ungebetene Fremde haben da nichts zu suchen.“
Da hatte ihr Landsmann Naut Kusters aus Amsterdam mit seiner Frau im Mai auf dem Rohrlacher Treffen in Wunstorf glücklicherweise ganz andere Erfahrungen gemacht. Das Ehepaar Kusters war herzlich willkommen gewesen. Darüber hatte ich schon in der Juni-Ausgabe 2009 der Bergwacht berichtet.
Gern denke ich an den interessanten Abend des 10. Juli in der Gaststube der Pension von Wim Bosman und Coleta in Jannowitz zurück. Naut Kusters aus Amsterdam, der ein Haus in Rohrlach hat, war angereist. Eine Journalistin von einer großen holländischen Zeitung war da. Ein Journalist aus Berlin und Filip Springer, ein polnischer Journalist, der schon per E-Mail in meinem Gästebuch Kontakt mit mir aufgenommen hatte, war erschienen. Dazu einige polnische Bewohner aus Jannowitz.
Wir hatten uns viel zu sagen und ich konnte berichten, mit welch großer Gastfreundschaft ich am Tag zuvor zusammen mit Heinz Friebe von der Familie Plawiak, die im ehemaligen Dominium von Kupferberg eine große Landwirtschaft betreibt, aufgenommen wurde. Heinz Friebe und ich führten mit der Familie Plawiak bei Kaffee und Kuchen in der Gartenlaube des gepflegten Gartens mit Blick auf die ehemalige Rosenbaude ein langes Gespräch über das vergangene und das heutige Kupferberg. In diesem Gespräch sagte Heinz Friebe, dass er in den letzten 10 Jahren Jahr für Jahr bei seinen Besuchen den Gedenkstein auf dem ehemaligen Kupferberger Friedhof in Ordnung brachte. Aber aus gesundheitlichen Gründen diese Pflege ab dem kommenden Jahr nicht mehr machen könnte.
Interessant war, dass die Familie Plawiak einen Schlüssel zur Kirche von Kupferberg hatte. So konnten wir noch einen Blick in die Kirche von Kupferberg werfen, die vor fünf Jahren auch eine neue Glocke bekommen hatte. Auch die Orgel ist restauriert. Nur deren Holzfiguren sind in der Jannowitzer Kirche.
Filip Springer sagte, dass er die Familie Plawiak auch noch besuchen werde, schließlich arbeite er an einem Buch über die Geschichte von Kupferberg und da könnte er von der Familie Plawiak noch viel über das heutige Kupferberg erfahren.
Über das Klosterstift St. Marienthal in Ostritz bei Görlitz fuhren meine Frau und ich nach Weißwasser. Horst Awater, der 1936 in Erdmannsdorf geboren wurde, hatte uns eingeladen, seiner neuen Heimat einen Besuch abzustatten. Die Familie Awater zog nach der Geburt von Horst Awater nach Jannowitz und wohnte im Haus von August Bettermann im I. Stock zur Miete. Genau dort, wo meine Frau und ich bei den Holländern unsere Urlaubstage verbracht hatten. Horst Awater war in Jannowitz zur Schule gegangen und konnte sich noch gut an die Brauereiwagen erinnern, die, von Pferden gezogen, mit Bierfässern beladen durch Jannowitz rollten. Vor vier Jahren hatte ich Horst Awater über das Internet kennengelernt und so war die Freude groß, dass wir uns nun auch einmal persönlich begegneten. Er zeigte uns seine neue Heimat, in der er nach dem Krieg als Bergmann Arbeit gefunden hatte.
Besonders beeindruckt waren meine Frau und ich von dem vor ein paar Jahren angelegten Lausitzer Findlingspark Nochten. Ein kunstvoll gestalteter, großflächig angelegter Landschaftsgarten auf einem Gelände, auf dem einmal die Braunkohle ausgebaggert wurde.
Es war mal wieder eine sehr informative Reise durch Niederschlesien, auf der wir viele neue Freundschaften und Erfahrungen gewonnen hatten.

Heinz Kornemann
Wolfsburg


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Das ehemalige Hotel Fürstenhof, das Jan Koplowitz in seinem Roman "Bohemia – mein Schicksal" beschreibt.
Aufnahme vom Juli 2009