Geschichtliche Entwicklung von Erdmannsdorf im Riesengebirge – 2005

Mein Geburts- und Heimatort Erdmannsdorf. dieses von der Natur so glücklich und reizvoll geschaffenen Stückchen Erde, ist seit 1937 ein Zusammenschluß zweier Ortsteile aus dem ursprünglichen Erdmannsdorf, nämlich Zillerthal und Erdmannsdorf, und liegt wunderbar eingebettet im Talkessel des Hirschberger Weichbildes, im weiten Umkreis umgeben von vier höheren Bergzügen, im Osten: des Landeshuter Kammes: im Süden: das langgezogene Bergmassiv des Riesengebirges mit der majestätischen Schneekoppe (1.605 Meter über NN.): im Westen: des Isergebirges und letztlich im Norden: des Boberkatzbachgehirges. Durchflossen wird der Ort durch den in den beiden Gletscherteichen und der sogenannten Seifenlehne entspringenden Quellwässern der kleinen und der großen Lomnitz, einem Wildbach, der Erdmannsdorf praktisch mittich in einen Ost- und Westteil trennt. Im südöstlichen Teil, in einem spitzen Winkel des Ortes fließt die bei der Schmiedeberger Paßhöhe entspringende Eglitz in unsere Feldflur ein und mündet im Nachbardorf Lomnitz in den vorgenannten größeren Lomnitzbach ein, der wiederum unweit des Niederdorfes in den Bober fließt. Die Erdmannsdorfer Flur in seiner Gesamtgröße von 5.000 preußischen Morgen oder 1.280 Hektar wird begrenzt durch folgende Nachbarfluren, die, im Urzeigersinn entsprechend, im Osten beginnend, an die Fluren von Buchwald; im Süden an die von Steinseiffen und Arnsdorf: im Westen an dem zu Seidorf gehörenden kleinen Ort Glausnitz, und an Stonsdorf; im Norden an die von Schwarzbach und zum größten Teil an Lomnitz angrenzt. Das bezeugt schon, wie riesig der Ort bei seiner Entstehung zu Beginn des 14 . Jahrhundert schon ausgelegt worden ist und damals schon als größter Ort im Zentrum des Weichbildes der Stadt Hirschberg gegründet wurde. Erdmannsdorf und Lomnitz, die von Beginn an als aneinander gereihte Orte begründet wurden, ist 7 km lang und erstrecken sich von Süd nach Nord anschmiegend an den Gebirgsbach der Lomnitz, wobei Lomnitz die etwas längere Ausdehnung besaß. Östlich des bebauten Ortes entlang liegt der langgezogene Bergrücken: der Ameisenherg, - ab 1850 in Gneisenauberg umbenannt-, höchste Erhebung 501 Meter über NN:. und westlich von 436 bis 458 Meter über NN die ansteigenden Anhöhen der mit fruchtbaren Ackern und saftigen Wiesen unterbrochenen Waldflächen und -inseln der Bauern unseres Ortes. Die Ausdehnung der nutzbaren Flächen Erdrnannsdorfs liegen im Osten bis an den östlichen Waldrand des Gneisenauberges und im Westen bis wenige zig Meter vor den angrenzenden Orten Glausnitz und Stonsdorf. Die Gesamtbreite der Flur einschließlich des bewohnten Ortsbildes betrug im Mittel 4.600 Meter.
Zur Gesamtflur des Ortes gehörte seit seiner Gründung 1305 auch der im südwestlichen Teil sich befindende Affenberg (nach einem früheren Besitzer des Lokatorgutes namens „Affetzko“ benannte Flur von ca 400 preußischen Morgen oder 100 Hektar. Überwiegend Boden mit niedrigen Punktzahlen (schlechte Bonität), bewachsen mit Wiesen, Bergkuppen und Waldflächen in nach Osten gerichteten leichtabfallenden Geländeprofil. Diese dienten in früheren Zeiten der Abweidung durch die großdimensionierte Schafherde des Lokatorgutes mit erbautem Schafstall und gutseigenen Schäferfamilien. Ab 1840, als das Gut die Schafzucht aufgab und sich einer großen und intensiven Rindviehzucht und -herde widmete, das Obergutsgelände in eine große Flachsgarnspinnerei- und
-webereifabrik, ein Unternehmen der „Preußischen Seehandlung“, umwandelte, der preußische Innenminister von Rother als Geschenk für seine Verdienste für den König den Affenberg erhielt und sich dort eine im Schweizerstil errichtete Villa erbaute. Einige Tirolerfamilien, die 1838 in Erdmannsdorf angesiedelt wurden auch kleine Flächen der vorher in Grünland stehenden Flächen sich dort erwerben konnten und ihre landwirtschaftlichen Hofstellen erbauten, wurde das Areal in Ortsteil „Roter Vorwerk“ umbenannt Auch der Affenberg, 422 Meter über NN., erhielt den neuen Namen „Rothersberg“ nach seinem nunmaligen Eigentümer.
Eine einmalig schöne Sicht von hier auf die Riesenberge im Süden und den östlichen Teil des Hirschberger Kreises mit den beiden Falkenbergen als Orientierungspunkte in diesem Gelände war ein Erlebnis. An der direkten westlichen Grenze dieser Erdmannsdorfer Teilflur zu den Flächen des Ortes Seidorf entstand auch der winzige Ortsteil “Dürre Fichte“ mit nur 3 kleinen landwirtschaftlichen Anwesen.
Die erste urkundliche Erwähnung unseres Ortes finden wir, laut Chronik von Theodor Donat. 1385, betreffend der Erbvergleiche der Herren von Mollberg und Stange, die wohl die ersten Besitzer dieser Flur waren. In den folgenden Jahrhunderten bis 1809 sind 38 Pergamente, sprich Urkunden oder Lehnsbriefe ausgestellt worden über Besitzerwechsel. durch Kauf und Verkauf, vor allem des Lokatorgutes. Neuerdings ist auch im Archiv in Breslau ein Schriftstück über einen gewissen Ort mit Namen „Herdmannsdorf“ aufgetaucht. Ob es sich nun bei diesem Namen wirklich in einer Abwandlung um unseren Ort handelt, bleibt noch dahin gestellt, aber mit an absoluter Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich. Dieses Schriftstück trägt die ‚Jahreszahl 1305 und Dr. Berndt, unser großer Historiker aus Erdmannsdorf, den Sie morgen kennen lernen werden, ist der Meinung, daß es nur unser Ort sein könnte. So haben wir uns letztendlich darüber geeinigt, auf dem deutschen Gedenkstein, den ich 2001 auf dem Friedhof im Einvernehmen mit der kommunalen Gemeinde Myslakowice habe setzen lassen und der in einer Feierstunde am 1.Juli desselben Jahres eingeweiht und im Anschluß daran ein erster deutsch-polnischer ökumenischer Gottesdienst in der Kirche gefeiert wurde, diese Jahreszahl eingravieren zu lassen. Übrigens: der überhaupt erste Gedanke, einen Ehrenstein für die verstorbenen, ehemaligen deutschen Bewohner dieser Gemeinde zu errichten, kam 1999 von polnischer Seite. Ich habe das Angebot aufgegriffen und ohne Widerstände in die Tat umsetzen können. Das zeigte damals schon, daß sich in diesem Land die Einstellung uns gegenüber zum Positiven geändert hat und die heutigen Bewohner einen Konsenz mit uns herbeiführen möchten.
Die Vorfahren dieses Heinrich Stange gehörten wohl zu den ersten deutschen Einwanderern aus Sachsen, Thüringen oder Franken in dem damaligen slawischen Schlesien und Angehörige dieser Familie sollen sich in der Tatarenschlacht am 9. April 1241 auf der Wahlstadt bei Liegnitz rühmlich hervorgetan haben.
Wahrscheinlich waren aber bereits vor 1385 resp. 1305 deutsche Siedler oder aber auch Slawen auf diesem Terrain tätig geworden, (dann wäre die ältere Jahreszahl begründet) um die vorhandenen, riesigen Waldgebiete allmählich zu roden und der menschlichen Nutzung verfügbar zu machen. Unser Nachbarort Lomnitz, ich lege dabei Wert auf die Endung „itz“ und andere schlesische Orte mit dieser Endung (Straupitz, Reibnitz. Altkemnitz usw.) bezeugen eine frühe slawische Siedlung.
Der sogenannte Lokator, ein vom Fürsten bzw. Landesgrundherren eingesetzter Landverteiler, setzte in der schlesischen Besiedlungszeit (im 12. bis 14. Jahrhundert) hier cirka 20 Neusiedler an, die auf einer damals einheitlich in ganz Schlesien vorgegebenen Größe von je 24.8 ha (x 20 = 496 ha oder 1.984 Morgen) ihre Höfe errichteten. Diese Flächeneinheit entsprach einer in der Besiedlungszeit und auch noch späterhin bezeichneten fränkischen Waldhufe, und war diese in der Größe so berechnet, daß sie einer zu damaliger Zeit doch verhältnismäßig großen Familie ausreichend Nahrung gab.
Unser Lokator aber sicherte sich, und das ist aus heutiger Sicht ganz verständlich und jeder andere würde es ihm in dieser Stellung heute bestimmt auch gleich tun, auf dieser neuentstandenen Kulturflur eine Fläche von 750 ha (3.000 Morgen) zuerst für sich selbst (frühere Größe des Lokatorgutes, einschließlich des Vorwerkes Affenberg-Rotes Vorwerk- und die gesamte östliche Lomnitzseite einschließlich des Ameisen-resp. Gneisenauberges, fast alles ebenes Terrain und bessere Bodenstruktur als der Rest der Fläche, auf denen die Siedler angesetzt wurden.).
Die unserem Dorf zugeordnete bewirtschaftbare Einheit hat eine Flurausdehnung von 12.8 gkm =1.280 ha = 5.000 Morgen. Auf Grund dieser Größe war unser Ort eines mit der größten Dörfer im Weichbild der Stadt Hirschberg. Der heackerbare Boden besteht aus Geschiebelehm von mittlerer bis guter Bonität bei 35 bis 70 Bodenpunkten, mit vereinzelter Trümmergesteinbeimengung und eingestreuten bewaldeten Granitporphyrkuppen.
Auch unser Ort wurde im Laufe der Jahrhunderte infolge der nahen Grenze zu Böhmen in die Geschicke und die Geschichte Schlesiens sowie des nahen Böhmens im Negativen, aber auch manchmal im Positiven eng eingebunden. Vor allem in der Ilussitenzeit (frühes 15. Jahrhundert) haben hier unsere Vorfahren und die Bewohner dieser Gegend schwer unter Drangsalierungen und Mord leiden müssen und nicht wenige Familien wurden gänzlich ausgelöscht. Der gewöhnliche Mensch galt in damaligen, unsicheren und unruhigen Zeiten eben nicht viel und sein Leben war wenig wert, obwohl der Protestantismus in unserer Region viel Zulauf erhielt und sich stark ausbreitete.
Der Ort Erdmannsdorf wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Emporkömmling, denn die Lebensbedingungen unserer Altvorderen besserten sich ab des Jahrhundertwechsels zusehenst, da bedingt durch die liebliche Lage vor der Kulisse des Riesengebirges unser Ort nicht nur bei den herrschenden europäischen Königshäuptern und der Prominenz bekannt und beliebt wurde, sondern im zunehmenden Maße auch gut situierte und kapitalkräftige Sommerfrischler anzog, die hier ihren Urlaub verbrachten. Auch viele einflußreiche und höhergestellte Persönlichkeiten kauften sich hier Grundbesitz und wurden seßhaft. In diesem Zusammenhang erinnere ich nur an einige Namen: Generalfeldmarschall von Gneisenau, die Preußenkönige Friedrich Wilhelm III. und IV. und Kaiser Wilhelm I. in Erbfolge, (weiterer Ausbau und Entwicklung des ehemaligen Herrenhauses des Maximilian von Reibnitz zum Sommerschloß und Residenz der Könige), der preußische Innenminister Rother, der ehemaligen Schloßhauptmänner von Zedlitz und Oberleutnant Freiherr von Münchhausen (im schweizer Stil erbautes Haus), später die Villen Liegnitz, Chamontet, Samson, Horwitz, Bethusy-Huc, Martin, Küttner, Jacobi, Tresser und noch einige mehr, die allesamt dafür sorgten, daß Kapital in unseren Ort floß und viele Industriebetriebe und eben auch Repräsentativbauten entstanden und sich auch die Infrastruktur wesentlich verbesserte.
In einer Auslassung über unser Dorf schrieb der 1863 verstorbene, durch seine Beredsamkeit und sein pädagogisches Talent ausgezeichneten Hirschberger Superintendenten Nagel folgenden Satz, der zwei Jahre nach seinem Tode in den „Schlesischen Provinzblättern“ veröffentlicht wurde: „Das ehemalige, unscheinbare Erdmannsdorf hat schon unter Gneisenaus verschönender Fürsorge, noch viel mehr aber unter königlicher Pflege gewonnen. Es gehört, kurz, aber viel gesagt, zu den anmutigsten Paradiesen, womit der Schöpfer seine unmittelbare, und mittelbar durch seiner Menschen Hand, die Erde geschmückt hat. Ein köstliches Juwel“. Soweit Nagel.
Im Jahre 1837 wurden bei uns auf Vermittlung der Gräfin Reden im Nachbardorf Buchwald, auf königlichen Feldern, aber auch Feldern aus Rustikal-Erdmannsdorf und Flächen vom Gute Seidorf. 416 Exulanten (aus dem tyroler Zillertal vertriebene Evangelisten) die ihres Glaubens wegen aus dem katholischen Österreich zur Auswanderung gezwungen wurden, angesiedelt und erhielten insgesamt über 1.600 Morgen Land. Ihre Kolonisierung kostete dem preußischen Staat 141. 500 Taler. Sie erbauten sich ihre schmucken Häuser im Stil ihrer tyroler Heimat, wie man sie heute noch im Wesentlichen unverändert und zum Teil noch gut erhalten erblicken kann und nicht nur für Naturfreunde und -liebhaber eine Bereicherung der Landschaft darstellen. Das hatte man damals schon richtig und weitblickend erkannt.
Von 1836 bis 1840 ließ der preußische König für die Erdmannsdorfer Evangelischen ein Gotteshaus errichten, da vorher die Gläubigen unserer Gemeinde im Kirchspiel Lomnitz eingepfarrt waren und der König, der ein sehr frommer Herrscher war, bei seinen Aufenthalten in seiner Sommerresidenz Schloß Erdmannsdorf den sonntäglichen Gang zur Kirche vermißte.
1840 wurde auf Anordnung des preußischen Innen- und Finanzministers Rother auf dem Gelände des früheren Obergutes (Schäferei) die „Erdmannsdorfer Flachsgarnspinnerei und -weberei AG“, ein Unternehmen der „Preußischen Seehandlungsgesellschaft“, gegründet.
Aus der ehemaligen Schloßbrauerei entstand durch Umbau 1854 das Hirschberger Kreiskrankenhaus „Bethanien“, das spätere Johanniterkrankenhaus mit chirurgischer Abteilung.
Die Porzellanfabrik wurde 1871 gebaut und entstand auf dem ehemaligen Gelände des Niederhofes mit angeschlossenem Sägewerk. In einem nahen Steinbruch wurde Feldspat, das Grundmaterial bei der Porzellanherstellung gebrochen. Produziert wurden hier aber anfänglich Porzellannägel, Puppenköpfe und Pfeifen für Tabakraucher. Es verwundert bei dem historischen Hintergrund unseres Dorfes nicht, daß die Ansicht des Schlosses Erdmannsdorf auch auf Porzellan der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin zu sehen ist. Die steigende Nachfrage nach technischem Porzellan um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts führte zu einer starken Produktionsausweitung bei der Porzellanfabrik der Gebrüder POHL in Schmiedeberg, die den Erdmannsdorfer Betrieb als Zweigwerk, neben Hirschberg und Haselbach bei Landeshut, 1908 übernahm. 1920 erfolgte die Umwandlung des gesamten Unternehmens der 4 Fabriken in eine AG mit einem Stammkapital von 5 Millionen Mark. In der Inflationszeit 1923 wurde das Hirschberger Werk wegen Absatzschwierigkeiten und sich daraus ergebenem Zwang zur Konzentration aufgegeben. In den verbliebenen 3 Fabriken wurden zu dieser Zeit 1.000 Personen beschäftigt. Ab 1928 waren die Fabrikgebäude und Einrichtungen der AG zunächst an die Porzellanfabrik RAUSCHERT G.m.b.H mit Hauptsitz in PRESSIG­-ROTHENKIRCHEN/Oberfranken verpachtet und 1932, am Ende der Weltwirtschaftskrise, übernahm Paul Rauschert die Fabriken als AG auch finanziell in eigenen Besitz. Somit war die Firma Pohl erloschen. Ein breitgefächertes Produktionsprogramm technischen Porzellans für die Elektro- und Wärmetechnik waren das Hauptstandbein dieser drei schlesischen Fabriken bis 1945. Die sowjetische Besatzungsmacht veranlaßte nach der Einnahme auch unseres Hirschberger Kessels im Mai 1945 die Demontage und den Abtransport wesentlicher Teile der Fabrikationsmaschinen. Die Polen übernahmen danach die Fabrik und nahmen mit Hilfe der aus anderen schlesischen Porzellanfabriken herbeigeschafften Maschinen wieder eine eingeschränkte Fertigung auf. Bis heute ist die Fabrik, neben der Spinnerei in Zillerthal, der Brotgeber vieler ortsansässiger Polen geblieben. Aber bereits nach der Wende 1989 konnte der frühere deutsche Besitzer Gottfried Paul Rauschert als Teilhaber wieder in das Unternehmen einsteigen und sogar ab Mitte 2001, nach dem Ausscheiden des polnischen Teilhabers, als Alleininhaber seiner ehemaligen Werke das Geschehen in der Fabrik wieder allein gestalten. Trotz starkem östlichen Konkurrenzdruckes hofft Rauschert ab 2002 wieder positive Zahlen zu erwirtschaften. Übrigens, Gottfried Paul Rauschert hat sich an der Finanzierung zur Errichtung des Gedenksteines unserer Vorfahren, wo einige davon auch als Arbeitnehmer in seinem Betrieb zu deutscher Zeit tätig waren, mit einer großzügigen Spende beteiligt.
Büstenfabrik, Nagelfabrik und ein Holzverarbeitungsbetrieb mit Möbelfertigung kamen 1870 hinzu.
Die steinerne Brücke über die Lomnitz auf dem Wege vom Schloß nach Stonsdorf wurde ebenfalls schon 1836 gebaut, vorher führte an dieser Stelle der Weg durch eine Furt im Wasser der Lomnitz, die man auf dem Grund des Gewässers heute noch sehen kann.
Für alle diese Neu- bzw. Ausbauten im Dorf, (Schloß, Kirche, Fabriken und Brücken) wurde Granitporphyr aus der nahen Feldmark, einem Bergrücken mit Namen Lindenberg, gelegen auf halben Wege zwischen Schloß und der Nachbarortschaft Stonsdorf gebrochen und verwendet. Diese Ausbeutestelle ist auch heute noch bis auf einen Teil, der mit Abfällen der örtlichen Fabriken in jüngster Zeit wieder verfüllt worden ist, noch unverändert sichtbar. Besitzer war damals die Bauernfamilie Ulbrich, die Vorfahren der letzten deutschen Eigentümer dieser Flur Bruno/Ida Schnabel, meine Eltern.
Am 1. August 1880 wurde der 1. Ortsverband des Riesengebirgsvereins mit 47 Mitgliedern aus den beiden damals selbständigen Gemeinden Zillerthal und Erdmannsdorf von dem Buchhalter der Spinnerei und Erdmannsdorfer Chronisten Theodor Donat gegründet. Sitz des neuen Vereins wurde Hirschberg. Bis 1939 entstanden im gesamten deutschen Reich 95 Sektionen dieses e.V. mit insgesamt mehr als 15.000 Mitgliedern. Er wurde bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges einer der bedeutendsten Gebirgsvereine Deutschlands.
1882 wurde unser Ort ans Eisenbahnnetz der Strecken Hirschberg-Landeshut, und wenige Jahre später Ausgangspunkt der Privatbahn Zillerthal-Erdmannsdorf-Krummhübel, angeschlossen und der Bahnhof zum Knotenpunkt ausgebaut.
Nach dem Bau und der Inbetriebnahme der Talsperren Mauer, Boberullersdorf und Boberröhrsdorf zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Strecke 1934 infolge des großen Angebots von elektrischer Energie durch die Turbinen der drei Stauwerke bereits elektrifiziert.
Theodor Fontane, berühmter Dichter, Journalist und Theaterkritiker weilte im Jahr 1868 in unserem Ort. Bei seiner überhaupt ersten Reise ins Riesengebirge 1868, wo er 49 Lebensjahre zählte, wohnte er beim Häusler und Ortsgendarrnen Brey in der Hypothek Nr. 23, (vormals Gottschalk, dann bis 1945 Hoyer). Seine Mittagsmahlzeit nahm er durchweg im damaligen „Sieckes Hotel zum Schweizerhaus“ ein. Bei seinem letzten Aufenthalt in unserem Gebirge 1892, wo er schon sehr kränkelte, logierte er und seine Familie bei dem Ehepaar Gottschalt. Besitzer eines villenartigen Gebäudes in der Nähe des Johanniter-Krankenhauses. Letzteres wird aber in den Briefen von Fontane mit seinem Freund Rechtsanwalt Friedländer aus Schmiedeberg anders geschildert und muß deshalb revidiert werden. Ob es tatsächlich so stimmt, ist eine andere Frage und kann deshalb nicht endgültig und klärend beantwortet werden. Danach besaß die Familie Gottschalt nach dem Abbrand ihrer landwirtschaftlichen Hofstelle Hypothek 23, in Quirl dieses Haus. Am 13. September 1892 mußte Fontane wegen des vollen Ausbruchs seiner schleichenden Krankheit, er litt zeitweise an Blutleere im Gehirn, seinen Ferienaufenthalt dort vorzeitig abbrechen. Er starb am 20. September 1898 in Berlin. Theodor Fontane war in seinem Wesen ein sehr widersprüchlicher Charakter. Wer das Buch von Udo Wörffel gelesen hat, wird mir beipflichten. Fontane weilte zwar in der Mitte bis zum Ende seines Lebens oft im Riesengebirge, urteilte aber mal lobend, mal kritisch, je nach persönlicher Laune und Gefühl über die Verhältnisse zu damaliger Zeit in den Dörfern nahe des Gebirges. So mokierte er sich einmal über Erdmannsdorf mit den Worten: Der „Erdmannsdorfer Sumpfstrich“ mit “brütender Malaria, was wir ihm doch sehr verübeln möchten. Denn jeder ehrliche, heimatverbundene Mensch läßt nichts über seine angestammte Heimat kommen, sei sie auch, wie sie ist.
Nach dem verheerenden Sommerunwetter am 28./29 Juli 1897, das nicht nur im Gebirge, sondern auch in den Durchflußdörfern der Lomnitz und Eglitz, des Hainer Wassers und des Zackens großen materiellen Schaden anrichtete, wurde von 1910 bis 1913 oberhalb des Dorfes auf einer Fläche von ca. 90 ha ein Hochwasserrückhaltebecken mit einem Fassungsvermögen von 3.6 Mill. cbm Wasser angelegt. Die Dammlänge beträgt 1,5. km, und erstreckt sich von der Arnsdorfer Straße bis vorn Rotersberg und dem kleinen Ort Glausnitz. Die Dammhöhe beträgt streckenweise bis zu 6 Meter. Bei starker Schneeschmelze oder Sommergewittern im Gebirge schützt dieser Damm bis heute die weiter flußabwärts wohnenden Menschen vor Verlusten an Hab und Gut. Und nicht wenige von den hier anwesenden werden die starken Gewitter in Begleitung verheerender Unwetter im Sommer noch in guter, überwiegend aber in böser Erinnerung haben. Ich jedenfalls kam mich noch gut an diese Ereignisse in meiner Kindheit erinnern, wo auch einmal in Begleitung eines solchen Naturschauspiels eine starke Windhose auftrat und, es war gerade Erntezeit, die Getreidepuppen hochgewirbelt, weit fortgetragen und ganz anders wieder zu Boden fielen. Da waren natürlich nicht mehr viel Körner in den Ähren geblieben. Aber das ist das Schicksal und Risiko des freien Bauern. Heute würden die betroffenen Bauern und Landwirte alle um Entschädigung nach Vater Staat rufen.
Und zuletzt noch zu einigen Denkmälern im Ort und der Flur. An der Straße Erdmannsdorf­Hirschberg befindet sich ca. 800 Meter vom Ortsrand entfernt ein steinernes Sühnekreuz, desgleichen auch eins auf dem Wege zum Rothersberg. Hier müssen sich im Mittelalter tragische Vorfälle ereignet haben, die jeweils einem Menschen von Menschenhand den Tod brachten.
Zum 1. tragischen Fall, (aus der Dorfchronik des Ortes Lomnitz:). An der Hirschberger Straße im Oberteil des Ortes befindet sich das Haus Nr. 80 direkt gegenüber eines Erdmannsdorfer Wohnhauses. Die Straße dazwischen bildet die Grenze der Fluren zwischen beiden Dörfern. Die Nr. 80 war vor einigen Jahrhunderten ein weitbekanntes Übernachtungslokal, indem auch Handwerksburschen während der Zeit ihrer beruflichen Wanderungen genächtigt haben. Nun trug es sich zu, daß der Gastwirt bemerkte, daß ein Handwerksbursche viel Geld bei sich hatte und er faßte den Entschluß, sich dieses Kapitals zu bemächtigen. Vor dem Weggang des jungen Burschen in der nächsten Früh lief der Wirt unbemerkt dem jungen Mann voraus, versteckte sich nahe des Weges in einem Gebüsch und schlug den Unglücklichen beim Gleichaufsein mit einem starken Knüppel zu Boden, tötete ihn und beraubte ihn seines Geldes. Die Tat wurde natürlich entdeckt, der Schuldige ausgemacht und überführt. Er mußte das steinerne Kreuz selbst an den Tatort schleppen, aufstellen und wurde anschließend bis zu seinem eintretenden Tode gerädert. Eine angemessene Strafe für einen solchen habgierigen Menschen, den man auch als Verbrecher betiteln kann. Den Hintergrund für die Aufstellung des 2. Sühnekreuzes ist uns nicht bekannt.
Auf dem Kreuzberg an der westlichen Peripheri des Ortes wurde 1838 ein Granitkreuz errichtet. Stifter ist damals der preußische König Friedrich Wilhelm III. gewesen. Erneuert wurde es 1856 durch seinen Sohn und Erben König Friedrich Wilhelm IV.. Wiedererrichtet 1874 durch Kaiser Wilhelm 1.. Es wurde mehrmals vom Blitz getroffen und erheblich beschädigt, aber immer wieder instand gesetzt und steht heute noch. Zu welchem Zwecke oder aus welchem Anlaß die Errichtung erfolgte, ist leider nicht bekannt. Seltsamerweise ist dieses Denkmal nach 1945 erhalten geblieben, was uns sehr erstaunt. Es verwundert nur, da vor 60 Jahren ja alles. was irgendwie an Deutschtum erinnerte, zerstört wurde oder zur Ruine verfiel. Dieses Denkmal aber blieb erhalten.
Ein riesiger Findling aus Granitporphier befindet sich am südlichen Ausgang der Donatstraße am Parkrand in Höhe der Küttnerschen Villa. Er wurde 1920 zum Gedenken des Gründers des Riesengebirgsvereins Theodor Donat dort aufgestellt und ist noch erhalten und in den 90er Jahren des verflossenen Jahrhunderts vom VSK wieder in Ordnung gebracht worden.
Dagegen wurde das Kriegerdenkmal zur Erinnerung der 3 gefallenen Ortsansässigen des Waffenganges 1870/71, und der 106 gefallenen Väter und Söhne des 1. Weltkrieges 1914/18 total zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Standort dieses Denkmals ist im östlichen Park nahe des Inselteiches an hervorragender Stelle. Erbaut und eingeweiht 1922.
Ebenso fiel das Denkmal für Kaiser Friedrich, welches am 6. April 1899 feierlich enthüllt wurde, dem vieles Deutsche zerstörende, randalierenden polnischen Mob im Jahre 1945 zum Opfer, welches auf dem Dreieck vor Küttners Villa am Abzweig der Donatstraße von der Arnsdorferstraße am Parkrande aufgestellt wurde und eine repräsentative und ansprechende Gedenkstätte war.
Auf dem Gneisenauberg an höchster Stelle (501 Meter) ließ König Friedrich Wilhelm III. ein Belvedere mit steinernen Sitzguppen und einem Tisch aus einer geschliffenen runden Granitplatte. auf der die markanten Punkte in der herrlichen Umgebung richtungsweisend eingraviert waren, errichten. Leider ist dieses der Zerstörungswut nach 1945 ebenfalls anheim gefallen, soll aber nach neuesten Informationen von einem neu gegründeten Verein aus Myslakowice wieder erstellt werden. Wir ehemaligen Bewohner werden evtl. dazu einen finanziellen Beitrag leisten.
Und eine geologische Merkwürdigkeit ist noch heute zu sehen: der Wackelstein an der Hirschberger Straße, im schlesischen Volksmund „Kase und Brut“ (Käse und Brot) genannt.Zwei runde Granitsteine von je mehreren zig Tonnen Gewicht übereinander geschichtet, die bisher jedem Versuche trotzten, von Menschenhand und Körperkraft getrennt zu werden.
Zillerthal und Erdmannsdorf waren, wie bereits vorher erwähnt, bis 1937 zwei selbstständige Gemeinden gewesen, wurden aber mit Order des Regierungspräsidenten aus Liegnitz am 1. April 1937 gegen den Willen vieler Zillerthaler mit Erdmannsdorf vereinigt. was lange noch den Zorn und den Unwillen der Vereinigungsgegner aufrecht erhielt
Zillerthal-Erdmannsdorf zählte 1937 schon 2.966 Einwohner, wurde 1957 von den Polen zur stadtartigen Siedlung erklärt und 1969 zur Stadt erhoben. Die polnische Bevölkerung stieg 1970 auf 4.311 Bewohner und blieb bis heute konstant. Zur politischen Gemeinde Myslakowice gehören heute die Nachbarorte Lomnitz-Lomnica, Schildau-Wojanow, Fischbach-Karpniki. Buchwald-Bukowiec, Bärndorf-Struznica, Neudorf-Gruszkow, Eichberg-Dabrowica und Boberstein-Bobrow.
Unser schöner Ort liegt 340 bis 410 Meter über Normal Null.
Im August 2003 ist ein Büchlein über “Die Baudenkmäler der Gemeinde Zillerthal­Erdmannsdorf-Myslakowice“ in deutscher Sprache und Schrift von polnischer Seite herausgegeben worden, in dem die Sehenswürdigkeiten dieser Großgemeinde ausführlich beschrieben worden sind.
In diesem Jahre könnte Erdmannsdorf, wenn sich die Zeiten nicht so für unser deutsches Vaterland zum Negativen durch Gebietsverluste nach 1945 geändert hätten, seine Gründung vor 700 Jahren feiern. Diesbezüglich konnte aber mit der polnischen Seite kein Übereinkommen erzielt werden.
Soweit mein ausführlicher Bericht über mein Heimatdorf. Aus den vielen Daten und Fakten, die ich Ihnen vorgetragen habe, konnten sie entnehmen, wie aus einem früheren verschlafenen Flecken Erde durch die Gunst der Natur und deren Erschließung durch Menschenhand, besonders in den letzten beiden Jahrhunderten, ein schöner, lieblicher und dazu noch historischer Ort entstand, der weit und breit seines gleichen sucht. Gott beschütze auch weiterhin meinen geliebten und unvergessenen Geburts- und Heimatort, nach dem ich mich auch heute noch in dem mir zur neuen Heimat gewordenen Niedersachsen sehne und ihn so lange es mir möglich ist, oft besuchen werde.

 

Salzgitter-Lesse, den 1. Juni 2005 (Fortschreibung v. 21. April 2001)
Georg Schnabel
geboren in Erdmannsdorf am 23.1.1931
Alter Dorfweg 16